Andere Zeiten, gleiche Fehler? 1. Platz und Nominierung für Deutschen Engagementpreis

pm -Falko Droßmann (re.) überreichte Peter Schuldt Preis und Urkunde.

Andere Zeiten, gleiche Fehler? 1. Platz und Nominierung für Deutschen Engagementpreis.

Bürgerpreis geht sensationell an Schüler des Gymnasiums Finkenwerder.

Der vom Bezirksamt Hamburg-Mitte ausgelobte Bürgerpreis wurde am 11. November um 11 Uhr (kein Karnevalsscherz) im Kuppelsaal des Hotel Hafen Hamburg überreicht. „Aus 45 Projekten und Initiativen von hoher Qualität“, wie Dirk Sielmann, Vorsitzender der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte betonte, sind zwei dritte, ein zweiter und ein erster Preis sowie ein Ehrenpreis vergeben worden. Er zeichnet Personen im Bezirk aus, die sich in besonderer Art für Integration einsetzen, die daran glauben und die sich darum bemühen, dass Integration klappt. Und: „Sie klappt!“ betonte Sielmann. Die jungen Gymnasiasten aus den Jahrgängen 8 – 11 des Gymnasiums Finkenwerder (GymFi) haben zu ihrer großen Überraschung den ersten Preis für eine filmische Arbeit erhalten. Der Jury gehörten unter anderen auch Jan-Hinrich Fock an, ehemaliger SPD-Bürgerschaftsabgeordneter aus Finkenwerder. Der Ehrenpreis der Jury ging an Peter Schuldt, Musikpädagoge, ebenfalls aus Finkenwerder.
Ihr als Herzensangelegenheit beschriebenes Engagement für mehr Aufmerksamkeit gegenüber fremdenfeindlichen Tendenzen und gegen den täglichen Rassismus gilt als Antrieb ihrer filmischen Tätigkeit. Klaus Lübke (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD Hamburg-Mitte) merkte in seiner Laudatio an, dass dieses Projekt nicht Teil des Schulunterrichts war, sondern im Rahmen einer Projektwoche entstand. Vorwiegend selbstständig trafen sich die Schüler der Arbeitsgemeinschaft gegen Rassismus und beratschlagten, wie sie Zeichen setzen können für ein besseres Miteinander und für gelebte Toleranz. Innerhalb einer Woche drehte ein Teil dieser Arbeitsgruppe den Film ab. Titel: „Andere Zeiten. Gleiche Fehler?“
Mitwirkende waren u.a. die 93-jährige Esther Bejarano, die zwei Konzentrationslager überlebte. Ihr berührendes Verlangen im Film rüttelt auf: „Ich möchte, dass die jungen Menschen erfahren, was damals geschah, dass nie wieder geschehe, was damals geschah.“ Zu den Themen Flucht, Vertreibung, Heimat und Zukunft befragten die Schüler zudem Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Afghanistan und Somalia, die ihre Sorgen und Erlebnisse schildern. Die Gegenüberstellung der Erlebnisse aus unterschiedlichen Generationen stellte, wie die Schüler erläuterten, „die Frage nach Recht und Gerechtigkeit aufs Deutlichste.“ Das Fragezeichen im Filmtitel ist bewusst gesetzt: Gleiche Fehler? – Nein, es wird vielmehr darauf verwiesen, dass aus der Geschichte gelernt werden kann und soll.
Holger Hülsemann, Sozialpädagoge am Gymnasium Finkenwerder, hatte den Kontakt zu den Flüchtlingen aus dem Café Refugio in Harburg vermittelt. Seine Kollegin Lena Sierk unterstützt die Anti-Rassismus AG und brachte Liv Thamsen ins Projekt, die als Filmemacherin die Technik anleitete. Zuvor hatte der Bezirksamtsleiter Bezirksamtsleiter Falko Droßmann einen Hang zur Individualisierung der Gesellschaft beklagt. Folge: ein Hang zur Durchsetzung eigener, nicht selten radikaler Vorstellungen zu Lasten eines friedvollen Zusammenlebens ohne Ausgrenzung. Deshalb gelte es zu erkennen, dass etwas getan werden muss. Genau das haben die Preisträger geleistet.
Das Gymnasium Finkenwerder ist eine Schule mit dem Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. „Die Anti-Rassismus AG hat mit ihrer Arbeit diesem Siegel erneuten Glanz verliehen, ich bin unglaublich stolz auf diese Schüler“, freute sich der Schulleiter Rüdiger Dartsch. Was die Siegerinnen und Sieger mit ihrem Preisgeld in Höhe von 2000 Euro vorhaben? Einen Anti-Rassismus-Tag für die ganze Schule ausrichten und weitere Aktionen finanzieren, um allen Mitschülern die Wichtigkeit von demokratischen Werten aufzuzeigen. So soll beispielsweise die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen besucht werden.
War schon die Preisverleihung sehr aufregend, gab es noch eine weitere Steigerung: Falko Droßmann übermittelte den Finkenwerder Siegern die Nominierung für den Deutschen Engagementpreis, den Dachpreis für freiwilliges Engagement. Damit hatte niemand gerechnet. Diese Ehre war für Helena, Clara, Henry, Inga, Mareike, Hannah (alle Jg. 11), Johanna (Jg. 8), Lena Sierk, Liv Thamsen und Holger Hülsemann eine unglaubliche Überraschung. Esther Bejarano, die Patin der Schule für das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und wichtige Mitwirkende im Film, war an diesem Tag unterwegs, um aus ihren Erinnerungen zu lesen, um ihre Friedensarbeit weiter zu bringen.
Für Peter Schuldt war es nicht die erste Auszeichnung seiner pädagogisch-musikalischen Laufbahn. Höhepunkt war sicherlich die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2015. Ein nicht unerheblicher Meilenstein in seiner erfolgreichen beruflichen Kariere war die Gründung des Mittelstufenchores „Gospel Train“ an der damaligen Stadtteilschule Harburg, heute Goethe-Schule. Der Chor hat sich nicht nur bundesweit einen Namen gemacht und kann sich der zahlreichen Nachfragen für Auftritte kaum erwehren, sondern sticht allem voran durch eines hervor: Er widerspiegelt die Vielfalt der Gesellschaft, die Vielfalt Harburgs. „Diese Vielfalt ist die große Stärke von Gospel Train“, betonte Schuldt. Befragt nach dem Rezept des Erfolges von Gospel Train, sagte er: „Gemeinschaftserlebnisse durch Musik sind nachhaltig prägend.“ Von seinen Schülern „Papa“ genannt, lebt Peter Schuldt die Begeisterung für den Chorgesang mit allen Phasern seines Lebens. Sein Credo: „Man kann Menschen nur begeistern, wenn man selbst begeistert ist.“ Das gilt auch für den Männerchor „Liedertafel Harmonie von 1965“ aus Finkenwerder, den er ebenfalls leitet. Als junger, noch langhaariger Musiklehrer hatte er den Chor übernommen und ist ihm, aus persönlicher und lokaler Verbundenheit und Anhänglichkeit, bis heute treu geblieben. Dass Musik glücklich mache, sei kein Geheimnis mehr, so Schuldt, und das gelte gleichermaßen auch für die älteren Herrschaften aus dem Männerchor, der ebenfalls aus der Gemeinschaft heraus lebt – auch ein Stück Lebensqualität. Gospel Train setzt sich darüber hinaus mittels seiner Auftritte für zahlreiche soziale Projekte ein und stellt sein Können damit anderen zur Verfügung. Alles gute Gründe, Peter Schuldt mit dem Ehrenpreis auszuzeichnen.